Ich muss gerade ganz kurz überlegen, wo ich anfange.
Um Dry-Needling zu verstehen, wäre eigentlich ein bisschen Grundwissen über Muskelphysiologie notwendig, aber wenn ich damit hier jetzt anfange klicken schonmal 50% den Beitrag weg.
Also muss es einfach gehen. So, dass es einfach zu verstehen und leicht zu lesen ist. Ich bemühe mich.
Ich werde die mir häufigst gestellten Fragen hier mal beantworten:
Was ist der Unterschied zwischen Dry-Needling und Akupunktur?
Auch das versuche ich mit meinen eigenen Worten zu erklären.
Gemeinsam haben die beiden Therapien eigentlich nur die Nadeln, denn das sind dieselben.
Ansonsten stammt die Akupunktur aus einer uralten chinesischen Tradition, gehört also zur östlichen Heilkunde.
Auch ich habe in meiner Ausbildung einen kurzen Einblick in die Akupunktur/pressur nehmen dürfen und kann euch sagen, das ist ein Gebiet, das zu erlernen Jahre dauert. Und nicht nur das. Man muss da auch ein Gefühl dafür haben, da das nicht wie Vokabeln lernen ist, sondern sich die Intuition mit dem Gefühl und dem Zusammensetzen aus Zusammenhängen verbindet.
Die Akupunktur ist ein komplexes Gebiet aus Meridianverläufen, Zuordnung von Pferdetypen, Wandlungsphasen, und vielem mehr. Die Akupunktur hat das Ziel unter anderem Energieleitbahnen im Körper zu stimulieren und damit innere und äussere Ungleichheiten wieder ins Gleichgewicht zu bekommen. Das große Wirkspektrum der Akupuntur hier zu erklären würde allerdings den Rahmen eines Blogs sprengen, hier verweise ich euch auch Literatur, die das besser kann als ich.
Das Dry-Needling hingegen setzt in der Muskulatur an.
Was macht das Dry-Needling?
Jeder von euch hatte sie schon mal. Diese fiesen, kleine Muskelverspannungen, die in den ganzen Körper ausstrahlen. Triggerpunkte nennt man die. Die Triggerpunkte sind praktisch zusammengezogene kleinste Muskelfasern, die sich zu einem Knoten bündeln und nicht mehr von selbst in der Lage sind, sich zu entspannen. Rund um diesen Knoten ist das restliche Muskelgewebe natürlich einerseits überlastet, andererseits nicht mehr so beweglich, wie es sein sollte. Und daraus entsteht der Schmerzpunkt.
Das Ziel des Dry-Needling ist es diesen Schmerzpunkt zu lösen, indem man den Muskel dazu bringt zu zucken. Und genau dieses Muskelzucken wird durch das Setzen der Nadel ausgelöst. Ähnlich wie das Hautzucken, das ein Pferd macht, wenn eine Fliege auf der Haut sitzt, zuckt der Muskel, wenn er durch den Stich der hauchdünnen Nadel aktiviert wird. Der Einstich muss dabei gar nicht direkt in den Schmerzpunkt gesetzt werden, das wäre teilweise viel zu schmerzhaft. Den lösenden Effekt kann man dadurch, dass die Muskeln miteinander verbunden sind auch erreichen wenn man weiter vom Schmerzpunkt entfernt ist und sich die Ausstrahlung zunutze macht.
Wie läuft eine Dry-Needling Behandlung ab?
Ich für mich lasse das Dry-Needling dann in meine Therapie einfliessen, wenn ich es für nötig halte. Ich komme also nicht rein für eine Dry-Needling-Behandlung zum Patienten, sondern befunde immer das gesamte Pferd physiotherapeutisch und wenn ich der Meinung bin, mit dem Setzen von Nadeln könnte ich mein Ziel besser erreichen, setze ich sie unterstützend ein.
Viele Pferde bei der ich in der Befundung einen erhöhten Muskeltonus oder eben Triggerpunkte feststelle, bekommen eine Grundbehandlung.
Diese setzt sich zusammen aus der Behandlung des Arm- Kopf-Muskels der beidseits mit zwei bis drei Nadeln bestückt wird. Aus diesem Areal zieht sich die Entspannungsreaktion nach vorne in Richtung Pferdekopf und nach hinten in Richtung Schulter/ Sattellage.
Die Nadeln bleiben eine Weile im Muskel und ich beobachte die Reaktionen des Pferdes und der Muskulatur.
Manchmal sieht man im Moment des Einstiches ein heftiges Zucken, manchmal arbeitet auch die komplette Muskulatur für mehrere Minuten und das Pferd beginnt Entspannungsreaktionen zu zeigen. Je nachdem, wie das Pferd reagiert, bleiben die Nadeln länger oder kürzer im Muskel.
Nach der Behandlung des vorderen Pferdes,beidseits natürlich, folgt noch die der hintere Hälfte.
Hier werden die Nadeln im Übergang Rücken/ Hinterhand platziert und strahlen ebenfalls nach vorne in die Sattellage, als auch nach hinten in die Kruppen,-Sitzbeinmuskulatur aus.
Auch diese Nadeln verbleiben solange im Pferd, wie ich Reaktionen erkennen kann und werden dann entfernt. Gerade in der Kruppenmuskulatur kommt es häufig vor, dass eine Nadel verbogen rauskommt, das kann sein, muss aber nicht.
Für eine Grundbehandlung reicht das Setzen dieser Nadeln erstmal aus.
Es gibt noch einige Muskeln, die man gezielt nadeln kann, aber das ist eine Sache, die ich NIE beim ersten Besuch anwende. Beim ersten Besuch hat das Pferd genug damit zu tun, die Grundbehandlung zu verarbeiten und sollte deshalb auch danach zwei bis drei Tage Pause haben.
Wie geht es nach der Behandlung weiter?
Ich lasse mir ja von meinen Kunden immer Bericht erstatten, was das Pferd die Tage danach gemacht hat, welche Reaktionen es gezeigt hat und welches Gefühl der Reiter hat.
Nach einer Dry-Needling Behandlung ist die häufigste Erkenntnis des Besitzers : “Hui, der ist aber wach”
Aber das ist ja auch verständlich, denn es wurde viel gelöst und das Pferd merkt ganz schnell, dass es ein Bewegungspotential hat, das es vielleich schon über längere Zeit nicht mehr hatte.
Aus diesem Grund rate ich immer dazu, das Pferd sich entweder frei bewegen zu lassen oder zu longieren. Man muss ja nicht unbedingt von oben ausprobiert haben, wie sich das Pferd an seinem Bewegungspotential erfreut.
Nach zwei bis drei Tagen ist der erste Übermut verflogen und man kann wieder beginnen das Pferd normal zu arbeiten.
Arbeit ist jetzt auch wichtig, aber mit Bedacht.
Grundsätzlich muss man natürlich bei größeren Reaktionen darüber nachdenken, woher die kamen und bevor man das Pferd weiterarbeitet mögliche Hindernisse wie z.B. einen unpassenden Sattel usw. korrigieren. Sonst sind die Verspannungen natürlich ganz schnell wieder da.
Beim Trainieren muss man bedenken, dass das Pferd sich nun evtl. anders bewegt. Aufwändiger, geschmeidiger, schwungvoller, alles ist möglich. Dabei sollte man aber auch bedenken, dass jede andere als die gewohnte Bewegung zu Muskelkater führen kann. Ein Pferd, das plötzlich mehr über den Rücken schwingt bringt muskulär ja nun eine andere und auch mehr Leistung, als einer, der den Rücken bisher nicht benützt hat. Deshalb seid einfühlsam und nützt die neu gewonnene Bewegungsfreude nicht aus, sondern trainiert euer Pferd langsam auf, so dass es die Chance hat, sich in die neuen Möglichkeiten hinein zu entwickeln. Das Lösen der Muskulatur baut sie ja nicht gleichzeitig auf, sondern gibt ihr nur die Chance überhaupt aufgebaut werden zu können.
Und dann ist dann die Aufgabe des Reiters.
Wie oft macht man eine Behandlung?
Das kann man, wie bei jeder anderen Behandlung auch, nicht pauschalisieren.
Das richtet sich nach dem jeweiligen Pferd.
Nach der Grundbehandlung gibt es erstmal eine Nadelpause von mindestens zwei Wochen. So lange braucht der Körper, um sich zu reorganisieren und der Reiter um zu merken, was sich wie verändert. Nach zwei bis drei Wochen kann man dann ein Fazit ziehen.
Was hat sich verändert, verändert sich immer noch etwas? Wie hat das Pferd die Grundbehandlung verarbeitet? Diese und noch mehr Fragen werden mit dem Therapeut erörtet und dann kann man entscheiden, ob eine weitere Behandlung notwendig ist. Manchmal erfolgt eine zweite Grundbehandlung, manchmal werden einzelne Nadeln der Grundbehandlung mit spezifischen Nadeln in bestimmte Muskeln ( finetuning) kombiniert.
Spezielle Muskeln, die ich sehr gerne und mit viel Effekt nadle sind die Brustmuskulatur, aber auch die Schultermuskulatur und der Akupunkturpunkt Blase 11. ( Ja, manchmal treffen sich Akupunktur,- und Dry-Needling Punkte)
Oft habe ich aber auch schon erlebt, dass überhaupt keine zweite Behandlung notwendig war. Wenn das Pferd nach der Vorgabe sinnvoll gearbeitet wurde, sind viele Verspannungen, die beim ersten Mal noch sehr prominent waren, völlig verschwunden und dann ist selbstverständlich kein weiterer Eingriff notwendig.